Perfumed Nightmare1

Der parfümierte Alptraum
(Mababangong bangungot/The Perfumed Nightmare)
Deutschland/Philippinen 1977, 93 min, Farbe

Der US-Literaturwissenschaftler Fredric Jameson hat The Perfumed Nightmare (1977), den Debütfilm des philippinischen Regisseurs Kidlat Tahimik, in seinem Buch The Geopolitical Aesthetic: Cinema and Space in the World System (Bloomington 1992) einen „Jeepney, der zwischen der Ersten und der Dritten Welt hin- und herkreuzt“ genannt. Jeepneys sind Minibusse, ursprünglich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zurückgelassene amerikanische Army-Jeeps, die umgebaut wurden, um im zerstörten Manila das öffentliche Nahverkehrssystem zu ersetzen und die noch heute das wichtigste Massen-Beförderungsmittel auf den Philippinen darstellen.

Wie diese Minibusse sind Kidlat Tahimiks Filme abenteuerliche Hybride und Transportmittel zwischen „Erster“ und „Dritter“ Welt. Sie sind vitale Zeugnisse eines filmischen Dialogs zwischen diesen Sphären und machen Tahimik zu einem der wichtigsten Vertreter des post-kolonialen Kinos, das er um höchst eigenwillige Facetten erweitert hat. Erstaunlicherweise begann dieser Kino-Jeepney seine Reise in Deutschland, wo Tahimik seit 1972 gelebt hatte und wo The Perfumed Nightmare 1977 im Forum der Berlinale gezeigt wurde. “Raffiniert und ironisch” nannte Hans C. Blumenberg in der Zeit vom 27. Januar 1978 den Film, „ein originelles Unding“, das auf dem Festival “einhellige Begeisterung” ausgelöst hatte: “ein Film, so bunt wie der Jeepney seines Helden, nie ausrechenbar als planes Lehr- und Polit-Stück, sondern eine wundersame Mischung aus lärmender Folkore, asiatischer Mythologie und surrealer Poesie”, die der Rezensent mit Godard und Rivette verglich.

Doch nicht nur die Filmwelt war von Tahimiks Debütfilm inspiriert, auch die Berliner Hausbesetzer-Szene fand in ihm einen Seelenverwandten: Das mobile Kino, das die Bewohner des besetzen Hauses “Kukuck” in der Anhalter Straße in Berlin Anfang der 80er Jahre betrieben, hieß “D.P.A.” – eine Abkürzung für “Der Parfümierte Alptraum”. Beflügelt durch den Berlinale-Erfolg startete der Film 1978 in deutschen Programmkinos und war damit der erste Film eines philippinischen Regisseurs, der es hierzulande in die Lichtspielhäuser schaffte. Nicht schlecht für einen Autodidakten, der sich das Filmemachen bei den Dreharbeiten seines ersten Films selbst beibrachte und der aus Geldmangel auf abgelaufenem Filmmaterial drehen musste, das er von befreundeten Studenten der Münchener Filmhochschule geschenkt bekommen hatte.

Der Film handelt von einem philippinischen Jeepney-Fahrer, der davon träumt, nach Amerika auszuwandern und dort Astronaut zu werden. Als Präsident des Wernher-von-Braun-Fanclubs seines Heimatdorfes Balian und als fanatischer Hörer der Voice of America erträumt er sich einen idealen Westen, wobei der Film gleichzeitig ein liebevolles Portrait der Volkskultur in der Provinz Laguna liefert. Mit Hilfe eines Amerikaners gelangt er schließlich mit seinem Jeepney nach Paris. Seine Begegnung mit dem Westen zerstört seine Illusionen und er kehrt in die Philippinen zurück.

Dieser Plot ist im Grunde aber nur der Anlass zu vergleichenden Betrachtungen über das Leben und Traditionen in „Erster“ und „Dritter“ Welt, über technologischen Vorsprung bei gleichzeitigem menschlichen Rückschritt, über kulturelle Einflüsse und Einbahnstraßen, die Kidlat Tahimik in virtuosen und alle Grenzen überschreitenden Montagesequenzen und in einfallsreichen visuellen Metaphern ausdrückt. Der Film erinnere daran, schrieb Susan Sontag, „dass im Film Fantasie, Unverfrorenheit, Verzauberung, ja sogar Unschuld, noch möglich sind.“

Regie, Drehbuch, Schnitt: Kidlat Tahimik
Kamera: Hartmut Lerch, Kidlat Tahimik
Darsteller: Kidlat Tahimik, Mang Fely, Dolores Santamaria, Katarina Muller, Hartmut Lerch, Georgette Baudry
Produktionsassistenz: Patricia De Guia
Musik: Hanns Christian Müller

16mm-Kopien erhältlich von: Les Blank Films Inc., Arsenal - Insitut für Film und Videokunst, Cinematrix