Video-Palaro: The Video Diaries of Kidlat Tahimik

Zwischen 1992 und 2006 hat Kidlat Tahimik fünf "Video Tagebücher" realisiert, die vom mittlerweile eingestellten JVC Tokyo Video Festival beauftragt und produziert wurden. Sie werden unter dem Sammeltitel "Video Palaro: The Video Diaries of Kidlat Tahimik" meist als zusammengehöriges Konvolut gezeigt, haben aber auch viele Ähnlichkeiten mit den parallel entstandenen und von der Japan Foundation produzierten mittellangen Filmen Japanese Summers of a Filipino Fundoshi (1996) und Banal Kahoy (2002). Während sich all diese essayistischen, kürzeren Arbeiten der 90er und 00er Jahre vor allem darin gleichen, dass stets eine - reale oder symbolische - Reise das Erzählen in Gang setzt und das Thema vorgibt, so hat doch jedes dieser Videos einen sehr unterschiedlichen, oft idiosynkratischen Aufhänger, von dem aus Tahimik sein assoziatives Netz webt.

 

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Orbit 50: Letters to my 3 Sons
Philippinen/Japan, 1992, 17'40'', Farbe

Als sein 50. Geburtstag bevorsteht, macht sich Kidlat Tahimik daran, einen dreiteiligen Video-Brief an seine drei Söhne zu verfassen. In Orbit 50: Letters to my 3 Sons reflektiert er nicht nur selbstironisch auf seine Rolle als filmemachender Vater, sondern würdigt vor allem die sehr unterschiedlichen Charaktere seiner drei Sprößlinge mit drei unterschiedlichen Kapiteln. Wie schon in dem kurz zuvor fertiggestellten längeren Essayfilm Takedera Mon Amour ist hier die spielerische Freude am neuen Medium Video spürbar.

 

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Celebrating the Year 2021, Today
Philippinen 1995, 24'30'', Farbe

Das zweite Video Diary ist in gewisser Weise die Fortsetzung des ersten. Auch hier adressiert Tahimik seine drei Söhne, ihre Stimmen bevölkern den Soundtrack und er überlässt ihnen auch regelmäßig die Kamera. Der Aufhänger ist diesmal das 500ste Jubiläum der ersten Weltumseglung durch Ferdinand Magellan, das einen langen Schatten aus dem Jahr 2021 vorauswirft und die Familie Tahimik zu allerlei symbolischen Umdeutungen und vorsorglicher Gegenpropaganda motiviert. Längere Sequenzen einer Bühnenperformance anlässlich eines Filmscreenings in Japan werden kombiniert mit Reisebeobachtungen, Baumpflanzaktionen und einer holzgeschnitzten Indianer-Büste, die in den verschiedenen Settings eine immer andere aber stets unbeugsame Figur macht.

Die assoziative Collage ist im Gesamtwerk verwandt mit dem zuvor abgeschlossenen Langzeitprojekt Why is yellow the middle color of the rainbow? und sie belegt auch das Weiterleben der Film-Idee zu Magellans Sklaven Enrique, die in Memories of Overdevelopment (1984) schon einmal begonnen wurde und in Balikbayan#1 Memories of Overdevelopment Redux III (2015) schließlich in epischer Länge zur Ausführung kam.

 

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Some More Rice
Philippinen, 2000, 18'30'', Farbe

Gemeinsam mit einem befreundeten Ifugao-Schamanen besucht Kidlat Tahimik einen japanischen Reisbauern, der ihnen im Gespräch erzählt, dass er vor seiner letzten Ernte stünde, weil er an Krebs erkrankt sei und ihm die Arbeit zu schwer werde. Von dieser Begegnung und dem Blick über die Landschaft laufen Tahimiks Assoziationen nun nicht nur zurück zu den heimischen Reisterrassen im Luzon-Gebirge, sondern auch zu Akira Kurosawas Sieben Samurais, in dessen Titel er ein Homonym für "Some more rice" liest. Aus diesen sehr unterschiedlichen Fäden webt er eine Hommage an den Reisanbau und die Reisbauern, dramaturgisch eingelöst als zwei Briefe, einen an Takahashi-san, den japanischen Reisbauern, und einen an Akira Kurosawa.

 

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Bubong! Roofs of the world, UNITE!
Philippinen / Japan 2006, 20', Farbe

Eine Reise auf das "Dach der Welt", ins tibetische Himalaya, löst einen Gedankenstrom über die unterschiedlichen Bauweisen und Funktionen von Dächern aus. In seinem eigenen Archiv findet Kidlat Tahimik überraschend viele Aufnahmen von Dächern und Dachdeckerarbeiten, angefangen bei der Einweihung eines Zwiebelturms auf einer bayrischen Kirche im Parfümierten Alptraum über die Dokumentation des Baus seiner eigenen Bambushütte in Hapao bis hin zu Aufnahmen von Wolkenkratzern in aller Welt. "Roofs of the world, Unite!" ist das Manifesto dieser kleinen Hommage an die Dächer über dem Kopf, ergänzt durch die Aufmunterung: "You got nothing to lose but your leaks." Ihr habt nichts zu verlieren außer euren undichten Stellen.

 

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Our Film-Grimage to Guimaras
Philippinen / Japan, 2006, 9'30'', Farbe

Guimaras ist eine Insel des philippinischen Archipels. 2006 wurde sie von einer schweren Ölhavarie betroffen, die sich 17 km vor ihrer Küste ereignet hatte. Kidlat Tahimik stattet der Insel einen Besuch ab, um sich mit kleinen Ritualen und Heilzeremonien an den Reinigungsarbeiten zu beteiligen. Für eine der Barrikaden, die den Ölteppich von der Insel fernhalten sollen, opfert er seinen eindrucksvollen grauen Rasta-Zopf. Durch Gonglaute und rhythmisches Trommeln scheint sich im übrigen das Video selbst als eine Opfergabe auszuweisen.