Kidlat Tahimik
Seinem Debütfilm Der parfümierte Alptraum (1977) verdankt der philippinische Regisseur Kidlat Tahimik nicht nur den inoffiziellen Titel "Vater des unabhängigen philippinischen Kinos". Der Film, der auf der Berlinale 1977 seine Premiere erlebte, avancierte zum Kultfilm und zählt bis heute zu den prononciertesten Filmen des “Dritten Kinos”, das den Protest gegen die Ausbeutung des globalen Südens mit einer Rebellion gegen konventionelle Filmformen verband.
Eric de Guia, aka Kidlat Tahimik, wurde am 3. Oktober 1942 in Baguio (Philippinen) geboren, wo er auch heute noch - oder wieder - lebt. Nachdem er an der University of the Philippines Theater studiert hatte, wechselte er zunächst in ein weniger brotloses Metier, nahm ein Masterstudium in Ökonomie am renommierten Wharton College in Pennsylvania (USA) auf und schloss es ab mit einer Arbeit über die Schuldenprobleme der "Dritten Welt". Ein Job bei der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) brachte ihn Anfang der 1970er Jahre nach Paris. Dort müssen ihm dann bald erste Zweifel gekommen sein an einem gut bezahlten Leben mit den Zahlen und er erinnerte sich an seine Jugendträume vom Theater und der Schauspielerei.
Um sich das Startkapital für ein Künstlerleben zu verdienen, organisierte er auf den Philippinen eine Souvenirproduktion für die Münchner Olympiade und reiste im Sommer 1972 mit 25.000 "Olympia Waldi"-Windspielen nach München. Das Geschäft lief gut an, kam dann aber nach der Geiselnahme israelischer Sportler durch die palästinensische Terrorgruppe Schwarzer September rasch zum Erliegen. Tahimik blieb jedoch in Bayern, lebte auf einer Landkommune bei Ingolstadt und geriet über seine Film studierenden Mitkommunarden ins Umfeld der Münchener Filmschule - was ihm schließlich eine Nebenrolle in Werner Herzogs Kaspar-Hauser-Film Jeder für sich und Gott gegen alle (1974) einbrachte. Das deutsche Kinopublikum sah Kidlat Tahimik somit erstmals in der Rolle eines Nasenpfeife spielenden „Indio“-Häuptlings - was im Nachhinein bereits wie eine Geschichte aus einem Tahimik-Film klingt und wie alles in diesen Filmen ein bedeutsames Körnchen Wahrheit enthält. Zu dieser Geschichte gehört im übrigen auch die Begegnung mit seiner zukünftigen Frau Katrin.
Ohne formale Filmausbildung und weitgehend abseits institutioneller Produktionswege hat Kidlat Tahimik in rund 40 Jahren ein einzigartiges und schillerndes Gesamtwerk geschaffen, das bis dato (Stand 2016) fünf lange und sechs mittellange Filme sowie fünf kürzere Video Diaries umfasst. Kidlat Tahimik ist aber nicht nur Filmemacher, sondern auch Installationskünstler, "Kulturenbeobachter" und Wanderer zwischen den Welten. In seinem Heimatort war er gemeinsam mit seiner Frau Katrin de Guia maßgeblich an der Gründung der Baguio Artists Guild beteiligt und er wirbt seit vielen Jahren für den Respekt vor der Kultur der Ifugao, einer indigenen Volksgruppe aus dem Luzon-Gebirge, bei denen Tahimik zeitweise auch lebt und lernt. Legendär sind Tahimiks öffentliche Auftritte, mit denen er, wann immer möglich, die Vorführungen seiner Filme begleitet, und bei denen seine vielfältigen Beschäftigungen und Anliegen zu spontanen Gesamtkunstwerken collagiert werden.
Kidlat Tahimik ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne.